Fahrberichte

Mercedes EQC: Nachzügler unter den Elektro-SUVs

Halt an der Ladestation: der Mercedes EQC. Foto: Daimler

Nun hat es auch Mercedes geschafft. Mit dem EQC bringen die Schwaben ab Sommer ein Elektro-SUV auf den Markt.  Mit ihm tritt man in Konkurrenz gegen einen Tesla Model X, eines Jaguar I-Pace oder eines Audi e-tron.

Gefühlt erfolgt dieser Start in die E-Mobilität indes arg verspätet. Denn seine Weltpremiere hatte der EQC bereits im September des vergangenen Jahres in Stockholm gefeiert. Bereits damals hatte man sich indes gefragt, warum den Schwaben etwas der Mut abhanden gekommen ist. Denn der EQC ist dem GLC doch arg ähnlich.

Doch das ist Vergangenheit. Bei Mercedes schaut man nach vorn und gibt sich mit Blick auf den EQC ausgesprochen zuversichtlich. Im Marketingsprech preist man seinen Geländewagen als den „Mercedes unter den Elektrofahrzeugen“ an. An Selbstbewusstsein mangelt es den Schwaben trotz der starken Konkurrenz offensichtlich nicht.

Vorstellung in Oslo

Dass sich das Auto in der Tat nicht zu verstecken braucht, konnte man nun bei der Fahrvorstellung erleben. Sie fand – natürlich – in Norwegen statt, dem Land der Elektromobilität. Weshalb Norwegen und seine Metropole Oslo bei der E-Mobilität europaweit führend ist, können Besucher bereits bei der Ankunft auf dem Flughafen Oslo-Gardermoen erleben. Wer sich hier aufs Parkdeck begibt, sieht ein Elektroauto neben dem anderen stehen – und jede Parkbucht verfügt über eine eigene Wallbox.

Das Cockpit des Mercedes EQC 400 4Matic. Foto: Daimler

Während in Deutschland seit Jahren über eine unzureichende Ladeinfrastruktur diskutiert wird, hat man sie in Norwegen nach und nach aufgebaut. Kein Wunder, dass in Norwegen mittlerweile jedes Zweite neu zugelassene Fahrzeug ein Elektroauto ist. Vor allem das neue Tesla Model 3 hatte die Zulassungszahlen zuletzt nach oben katapultiert. Angesichts dieser Zahlen rückt das Ziel der norwegischen Regierung immer näher, ab 2025 keine Neuwagen mit einem Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. In Norwegen ist die Verkehrswende bereits im vollen Gange.

Norwegen wichtiger Absatzmarkt

Vor diesem Hintergrund ist Norwegen auch für den Mercedes EQC einer der wichtigsten Absatzmärkte. Bei den Testfahrten rund um Oslo stieß das E-SUV der Schwaben bei den elektroaffinen Norwegern auf großes Interesse. Bei einem Stopp an einer Schnellladestation von Ionity rund 20 Kilometer vor den Toren von Oslo wurden wir von einem dort haltenden Autofahrer neugierig nach dem EQC befragt, der über eine 80 kWh starke Batterie verfügt, die zwei Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse antriebt, „Und, auf welche Reichweite kommt er?“, wollte der Autofahrer wissen. „Je nach Konfiguration bis zu 471 Kilometer.“

Der Mercedes EQC unterwegs in Oslo. Foto: Daimler

Natürlich ist dies ein theoretischer Wert. Es kommt entscheidend aufs Fahrprofil und natürlich auf den Fahrer oder die Fahrerin an. Wer bewusst mit dem EQC unterwegs ist, der wird überrascht sein, wie viele Kilometer er sparen kann, wenn er sich unter den fünf wählbaren Fahrprogrammen Comfort, Eco, Sport, Individual für das Profil Max Range entscheidet. Damit lässt sich die größtmögliche Reichweite erzielen. Ein haptisches Fahrpedal erinnert den Fahrer daran, wie er sich immer im effizienten Bereich bewegen kann. So unterwegs konnten wir bei einer Gesamtstrecke von 87 Kilometern immerhin 43 Kilometer Reichweite einsparen. Das ist eine Ansage. Über die Schaltwippen am Lenkrad hat man zudem die Möglichkeit, fünf Rekuperationsstufen auszuwählen.

Leistung 408 PS

Doch wer will, der kann auch anders: der EQC hat nicht nur eine effiziente Seite, sondern auch eine sportliche. Eine Leistung von 408 PS und ein maximales Drehmoment von 760 Nm versprechen bereits auf dem Datenblatt viel. Wer diese Leistung indes auf einer abgesperrten Strecke bei einem Kickdown abruft, wird begeistert sein von dieser Dynamik, aber so etwas ist auch typisch für E-Autos. In 5,1 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, die Höchstgeschwindigkeit ist bei elektronisch abgeregelten 180 km/h erreicht.

Mehr braucht man nicht, gerade auch mit Blick auf die Reichweite. Denn wer meint, den EQC mit dieser Geschwindigkeit längere Zeit über die Autobahn jagen zu müssen, der wird den in Aussicht gestellten Verbrauch von 19,7 kWh auf 100 Kilometer weit verpassen. Umsicht ist beim E-Fahren also gefragt. Schließlich kann auch der Blick auf die eingesparten Kilometer nach dem Ende einer Fahrt zu einem Spaßfaktor werden.

Ladezeit bei 40 Minuten

Das Heck des Mercedes EQC. Foto: Daimler

Wenn die Akkus indes mal leer sind, dann braucht man einer Schnellladestation 40 Minuten, bis sie wieder von 10 auf 80 Prozent aufgeladen sind. Das Laden hat Mercedes seinen Kunden dabei so einfach wie möglich gemacht. Entweder kann man dafür seine europaweit gültige Ladekarte nutzen oder den Ladevorgang direkt über das Fahrzeug ansteuern – und natürlich auch so bezahlen. Das ist alles so einfach, wie man es sich als Fahrer eines E-Autos wünscht. Doch wer wie für den Mercedes EQC mindestens 71.281 Euro auf den Tisch des Händlers legt, kann so viel Bequemlichkeit auch erwarten. Natürlich lässt sich das alles auch über die App auf seinem Smartphone steuern. Dank eines Netto-Preises von unter 60.000 Euro qualifiziert sich der EQC übrigens für die staatliche Kaufprämie.

Der Bestellprozess für den Mercedes EQC hat mittlerweile übrigens begonnen. Doch schnell dürften die Kunden einen EQC nicht bekommen. Zu Lieferzeiten und Produktionskapazitäten im Werk Bremen macht Mercedes zwar keine Angaben. Doch nach den letzten Meldungen sollen pro Tag nicht mehr als 100 Einheiten des EQC produziert werden. Als limitierender Faktor soll das Batteriepack gelten. Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor erweist sich damit komplizierter als erwartet. So etwas überrascht. Denn da Mercedes sich so lange Zeit mit seinem erste E-Modell der Marke EQ gelassen hat, hätte man von einer Marke, die ihre Neuwagenflotte bis 2039 CO2-neutral haben will, mehr erwartet. Schade, denn der EQC hinterließ bei den Testfahrten einen guten Eindruck

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben Autogazette.de und Autozukunft.de verantwortet er auch das Magazin electrified.

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