Elektro Fahrberichte

Hyundai Ioniq 5 N: Vergnügungssteuer an der Ladesäule

Der Hyundai Ioniq 5 N ist mit dem Zusat "N" im Modellnamen ein reinrassiger Sportler. Foto: Axel F. Busse

Der Hyundai Ioniq 5 ist ein Elektroauto mit ausreichend Reichweite. In der sportlichen N-Variante bringt er zudem alles mit, um auch Verbrenner-Fans zu begeistern.

Kann es eine Versöhnung geben zwischen Verbrenner-Fans und Elektro-Enthusiasten? Falls ja, wird vermutlich ein Auto wie der Hyundai Ioniq 5 N dafür sorgen.

Die Mittelklasse-Limousine ist im Standart-Trimm ein Fahrzeug von mäßiger Extravaganz. Ein geräumiger E-Fünftürer mit ausreichenden Fahrleistungen und ordentlicher Reichweite. Als babyblauer Brachial-Bolide mit orangefarbenen Akzenten, Kotflügelverbreiterungen, Heckdiffusor und 21-Zoll-Felgen sieht die Sache schon anders aus. Der Zusatzbuchstabe N bewirkt einen enormen Kraftzuwachs auf der einen und einen spektakulären Emotions-Gewinn auf der anderen Seite: Das 650-PS-Geschoss kann nämlich auch Sound! Damit ist keineswegs nur jene Klang-Begleitung gemeint, die Elektro-Fahrzeugen bei langsamer Fahrt vorgeschrieben ist, um Fußgänger oder Radfahrer auf sich aufmerksam zu machen. Ansaug- und Verbrennungsgeräusch, Auspuff-Stöße wie Zwischengas, ein kehliges Sprotzeln bei Freigabe des Fahrpedals und ruckartiges Einrasten einer Kupplung mit einem ordentlichen „Tritt ins Kreuz“ – all das kann man im Hyundai Ioniq 5N erleben. Elektronische Simulation schafft die perfekte Illusion.

Rechenleistung statt Gemisch-Explosion
Das Cockpit des Ioniq 5 N ist übersichtlich und leicht zu bedienen. Foto: Axel F. Busse

Doch nichts von den akustisch und physisch spürbaren Erscheinungen ist „echt“, wenn man dies im Sinne herkömmlichen Verbrennungsantriebs und Kraftübertragung durch mechanische Kupplung versteht. Aber mithilfe der Aufbietung enormer digitaler Rechenleistung fährt sich der Ioniq 5N auch hörbar (fast) wie ein „richtiger“ Sportwagen. Reproduzierbare Laut- und Klangfolgen, in der Musikbranche Samples genannt, werden durch einen Signalgenerator zu intern und extern wirkenden Lautsprechern geschickt, die lastabhängig in Tonhöhe und Lautstärke variieren. Das Ergebnis ist die Modulation einer adaptiven Synthese aus Motorlast und –drehzahl, aus Pedalstellung und Fahrgeschwindigkeit.

Das Ergebnis kann sich hören lassen. Es erweitert das Emotions-Spektrum für die Insassen um einen wichtigen Faktor, zumal der Klangteppich mittels der Schaltpaddel am Lenkrad beeinflussbar ist. Acht Schaltstufen können angerufen werden, jede mit einem speziellen Sound, so dass physisch und akustisch die Takte eines Verbrennungsmotors nachgeahmt werden. Die visuelle Krönung dieser Vorspiegelung falscher Tatsachen: Die tatsächlichen Umdrehungen der Elektromotoren werden umgerechnet in die vergleichbare Drehzahl eines Explosions-Aggregats und der Wert ist als beweglicher Balken im Head-Up-Display zu sehen.

Bis 770 Nm Drehmoment

Dass sich im Nu ein Höchstmaß an Fahrfreude einstellt, liegt auf der Hand, denn der Ioniq 5N liegt dank der 84 kWh-Batterie satt auf der Straße, bewegt die 2,3 Tonnen Leergewicht mit spielerischer Leichtigkeit und entwickelt bei Bedarf ein enormes Kurven-Temperament. Und wäre das alles nicht schon genug, kann mit der roten N-Taste am Lenkrad noch eins draufgesetzt werden. Für zehn Sekunden geben die Elektromotoren dann noch weitere 50 PS und bis zu 770 Newtonmeter Drehmoment frei. Für die Statistik: 3,4 Sekunden von null auf hundert, 260 km/h Top-Tempo.

Diesen Wert vom Datenblatt hätte der Tester gern auch einmal im wirklichen Leben gespürt, nur kann das in der dunklen Jahreshälfte mit Schwierigkeiten verbunden sein. Den montierten Winterreifen fehlte die Freigabe für solches Spitzentempo, so dass sich lediglich sagen lässt: Der Hyundai Ioniq 5N spurtet auf freier Strecke energisch auf 230 km/h und man hat die Wahl, ob man den tosenden Fahrtwind oder den virtuellen Verbrenner als akustische Begleitung genießen will.

Solider Innenausbau

So gesalzen wie auf der Strecke geht es auch in der Preisliste zu. Ab 74.900 Euro ist der Stark-Stromer zu haben und da sind die exzellenten Sportsitze, mit denen der Testwagen bestückt war, noch nicht enthalten. Sie kosten 1500 Euro extra, was hinnehmbar wäre, wenn sie denn eine elektrische Verstellbarkeit mitbrächten. Sportlich-spartanischer Innenausbau, wie sonst bei anderen Hochleistungs-Pkw üblich, ist jedoch nicht anzutreffen. Es fehlt weder an hochwertigen Materialien und solider Verarbeitung, noch an einem umfangreichen Arsenal an Sicherheits-Assistenten.

Das positive Bild trüben lediglich die Hartplastik-Auskleidung der Mittelkonsole sowie das mit seinen 16 Knöpfen, Drehwalzen und Funktionstasten etwas überladene Lenkrad. Platz gibt es indes genug: Vorn unten hinten ist die Kabine gleich breit, nämlich 1,48 m zwischen den Türverkleidungen, der Kofferraum reicht von 480 bis 1540 Liter.

Vergnügungssteuer an der Ladesäule
Wuchtig: das Heck des Ioniq 5 N von Hyundai. Foto: Axel F. Busse

Damit der Fahrspaß nicht überbordet, schaut man am besten auf die Verbrauchsanzeige: Die Ladesäule verlangt Vergnügungssteuer, weshalb die vom Hersteller versprochene WLTP-Reichweite von 448 Kilometern sich im Alltagstest nicht annähernd belegen ließ. Selbst wenn man für den Betrieb im Winter unter Einbeziehung von Kabinen-, Scheiben- oder Sitzheizung einen entsprechend höheren Stromverbrauch kalkuliert, sind die protokollierten 25,3 kWh/100 km weit entfernt von einem angemessenen Verbrauch (nach WLTP 21,2 kWh). Immerhin verfügt das Fahrzeug serienmäßig über eine Wärmepumpe, die eigentlich den Verbrauch senken helfen soll.

Egal, ob am Schnell-Lader oder der 22-kW-Säule geladen wurde, war die Reichweiten-Anzeige nur ein einziges Mal über die 300-km-Marke zu hieven, wobei das zügige Auffüllen des Akkus allerdings ordentlich funktionierte. 40 kWh oder rund 160 Kilometer Reichweiten-Zuwachs innerhalb von 30 Minuten konnten mehrfach verbucht werden. Die tatsächliche Ladeleistung stieg dabei bis auf maximal 116 kW.

In der Summe ist der Hyundai Ioniq 5N zwar kostspielig, bietet aber ein Höchstmaß an Fahrfreude. Er ist enorm dynamisch, aber komplett alltagstauglich, kann als praktisches Familienmobil ebenso dienen wie als herausforderndes Sportgerät. Letzteres wird, keine Überraschung, ebenfalls per Tastendruck aktiviert: Dann macht der „Drift-Optimizer“ das Heck leicht.

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